Andelfingen
Geschichte
Am Kreuzpunkt der zwei Heerstrassen Schaffhausen-Winterthur und Stein am Rhein-Baden ist am Übergang über die Thur eine bedeutende Siedlung gewachsen: Andelfingen, Mittelpunkt einer ländlichen Region, Hauptort des gleichnamigen Bezirks. Der Dorfkern mit seinem halbstädtischen Charakter lässt heute noch ahnen, dass Andelfingen vor 1798 gegenüber den umliegenden Gemeinden eine ganze Reihe von Vorrechten besass, die ihm eine auf der Landschaft seltene Stellung verliehen. Wichtig war vor allem das Marktrecht, welches das Dorf zum Flecken erhob. Dieser Jahrmarkt – ergänzt durch eine Schau landwirtschaftlicher Maschinen – vermag heute noch die Besucher aus der weiteren Umgebung anzuziehen. Andelfingen war aber nie ein rein bäuerlicher Ort. Seit alters hatten sich, begünstigt durch den Verkehr, zahlreiche Handwerker niedergelassen. Die Verbindung Landwirtschaft-Gewerbe zeigt sich vor allem in den sechs Mühlen, die einst das Gefälle trieb. Seit langem war Andelfingen ein Ort der Verwaltung. Hielten bis zum Zusammenbruch der Alten Eidgenossenschaft die zürcherischen Landvögte im Schloss Gericht und verwalteten die Herrschaft Andelfingen, so arbeitet heute hier die Bezirksverwaltung und tagt das Bezirksgericht. Der älteren Generation ist der Name „Grossandelfingen“ geläufig, der seit 1830 üblich geworden war. In der Mundart spricht man heute noch von „Gross“ und „Chly“, doch 1970 wurde der Gemeindename durch Kantonsratsbeschluss in das einfache „Andelfingen“ zurückverwandelt.
Bedeutendster Fund aus der Vorgeschichte sind die 21 Gräber aus der La-Tène-Zeit (um 300 v. Chr.) im Laufen, westlich der Station. Die den Bestattungen beigegebenen prachtvollen Schmuckgegenstände sind in einer Auswahl im Landesmuseum zu sehen. Bei Grabungen in der Kirche wurden einzelne Kleinfunde von römischer Keramik gemacht. Der Ortsname mit der Endung –ingen deutet darauf hin, dass zur Zeit der ersten Landnahme durch die Alemannen (5. Jahrhundert) ein Sippenvater namens Andolf beidseitig der Thur Niederlassungen begründete. Zum erstenmal erwähnt wird Andelfingen in einer Schenkungsurkunde um 759/760. Die Grafen von Kyburg besassen hier in der Folge bedeutende Besitzungen, die durch Erbgang an das Haus Habsburg kamen. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wurde das Amt Andelfingen aus dem habsburgischen Amt Diessenhofen ausgeschieden. Es gelangte durch Verpfändung an die Truchsessen von Diessenhofen und später an die Familie von Hohenlandenberg. 1434 ging die Herrschaft durch Lösung des Pfandes an die Stadt Zürich über. Das Wappen dieser Herrschaft, die Kyburger Löwen mit Stern im unteren Feld, ist zum heutigen Gemeindewappen geworden. 1482 wurde die Burg Andelfingen zum Sitz der Landvögte. Standort dieser alten Burg war wohl der Hügelvorsprung an der Schlossgasse, wo die „Alte Kanzlei“ steht. 1614 wurde ein neues Landvogteischloss gebaut, das an der gleichen Stelle schon 1780 – 1782 durch einen Neubau, das heutige Schloss, ersetzt wurde. Während des Kriegsjahres 1799 kämpften am 25. Mai Franzosen und Österreicher um den wichtigsten Thurübergang. Die Franzosen feuerten mit ihren Kanonen von der Höhe des Schlosses auf die nördlich der Thur aufgestellten kaiserlichen Batterien. Beide Dörfer litten durch die kriegerischen Auseinandersetzungen schwer. Die umkämpfte Brücke wurde von den Österreichern in Brand gesteckt. Als Ersatz wurde 1814/15 die heutige gedeckte Brücke erbaut. 1816 wurde das Schloss Sitz des Oberamtmanns. Als Gast eines solchen starb hier 1816 Salomon Landolt, der durch Gottfried Keller zu literarischen Ehren gekommene Landvogt von Greifensee. Nach der liberalen Umwälzung wurde Andelfingen Bezirkshauptort und das Schloss 1832 an die Familie von Sulzer Wart verkauft. 1923 ging es in den Besitz des Andelfinger Bürgers Alfred Baur über, der es der Gemeinde schenkte. Das alte Herrenhaus mit dem grossen Park diente bis ins Jahr 1999 als Altersheim. Im Jahr 2000 wurden Betrieb und Unterhalt aller Schlossliegenschaften samt Park der Stiftung Schloss Andelfingen übergeben. Im Schloss selbst befinden sich heute das Statthalteramt, das Betreibungsamt Bezirk Andelfingen und Räume, die für Anlässe vermietet werden.
Die einseitige Grosspfarrei ist noch immer eine grosse Kirchgemeinde, zu der Andelfingen, Kleinandelfingen, Adlikon und Humlikon gehören. Die aus dem 17. Jahrhundert stammende Kirche mit ihrem 1862 erbauten 56 m hohen neugotischen Turm steht beherrschend auf einem Tuffsteinsporn über dem Thurtal. Bis zum Zweiten Weltkrieg änderte sich der bäuerlich-gewerbliche Charakter des Dorfes kaum. Auch die Eröffnung der Rheinfallbahn 1857 brachte der Gegend keinen industriellen Aufschwung.
Erst seit in den sechziger Jahren Gewerbezonen ausgeschieden wurden, liessen sich im Zug der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung neben der ursprünglich einzigen kleinen Industrie, der allerdings weitherum bekannten Turmuhrenfabrik, verschiedenen Unternehmen nieder. 1958 wurde zur Entlastung der alten Holzbrücke die neue Weinlandbrücke gebaut. Der Durchgangsverkehr konnte dadurch vom Dorf ferngehalten werden, so dass dessen ländlich-ruhige Eigenart bewahrt blieb, was – zusammen mit der vorzüglichen Verkehrslage – weite Wohnquartiere mit Einfamilienhäusern, Miet- und Eigentumswohnungen entstehen liess. Neuere Einrichtungen des Dorfes sind durch gemeinsame Bemühungen der beiden Zwillinggemeinden entstanden, z.B. Kläranlage, Schwimmbad, Sporthalle. Der Löwensaal ist nicht nur gesellschaftlicher Mittelpunkt, er zieht mehr und mehr auswärtige Besucher an. Andelfingen ist im übrigen auch all jenen ein Begriff geworden, die im kantonalen Kurszentrum ihre Ausbildung erhalten. Für die Regionalstrasse zwischen Henggart und Kleinandelfingen wurde im Oktober 2000 eine neue Weinlandbrücke eingeweiht. Mit der neuen Regionalstrasse wird Andelfingen zusätzlich vom Durchgangsverkehr entlastet.
Der Dorfkern von Andelfingen und insbesondere die Thurbrücke (1815), die Kirche (1667), der Bahnhof (1857) und das Gräberfeld und die Wallanlage im Laufen sind im Schweizer Inventar der Kulturgüter von nationaler Bedeutung (ISOS) verzeichnet.
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Geografie
Andelfingen ist der Hauptort des gleichnamigen Bezirkes und ist das Zentrum des Zürcher Weinlandes, grenzt nördlich an die Thur und liegt in der Mitte zwischen Winterthur und Schaffhausen
Privatverkehr
Andelfingen ist über die Ausfahrten der A 4 „Kleinandelfingen“ aus dem Norden und „Adlikon/Andelfingen“ aus dem Süden von Winterthur und Schaffhausen in je ca. 10 Minuten gut erreichbar.
Öffentlicher Verkehr
Andelfingen liegt an der SBB Bahnlinie Winterthur-Schaffhausen und ist mit den S-Bahnen sehr gut erschlossen. Der Bahnhof befindet sich nur wenige Gehminunten vom Zentrum. Mit den Postauto-Linien ist Andelfingen auch aus dem Stammertal und von Seuzach leicht erreichbar.
Freizeit-Verkehr
Für Velofahrer ist Andelfingen aus allen vier Himmelsrichtungen mit Radwegen erschlossen. Für Wanderer liegt es ideal, um die Schönheiten des Weinlandes zur Erkunden. Wassersportler benützen idealerweise das Gummiboot auf der Thur.
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Humlikon
Das erste Zeugnis der Existenz von Humlikon ist 63 Jahre älter als der Bundesbrief von 1291: Am 12. Juli 1228 wird der Mönch Konrad von Humlicon in einer Urkunde erwähnt. Er entstammte der Familie der Freiherren von Humlikon, deren "Burg Herten" im äussersten Westzipfel des Gemeindegebiets lag. Sie trugen unser heutiges Wappen, das halbe, silberne rotbezungte Einhorn in Blau.
Der Zehnten, also die Steuern unserer mitelalterlichen Vorfahren an ihre weltlichen Herren, umfasste Getreide, Wein, Obst und Heu. Verhandlungen der Zehntenverhältnisse, also die Festlegung, wer wieviel abzuliefern hatte, hinterliessen in den Büchern zahlreiche Dokumente. Vor über 400 Jahren wurden in diesem Zusammenhang bereits Flurnamen genannt wie Wydäcker, Wallenbrunnen, Bifelden, Wienkart, Weiher, Dinglikon -Bezeichnungen, die jedem Humliker noch heute bekannt sind und immer noch im Grundbuchplan stehen. Damals mussten die Humliker in der Kirche Andelfingen jedem neuen Landvogt im Anschluss an den sonntäglichen Gottesdienst den Treueid leisten.
Erste Nachricht von der Existenz einer Schule in Humlikon enthält eine Amtsrechnung von Töss, die belegt, dass der erste Schulmeister von Humlikon als Entschädigung "einen Mütt Kernen" erhielt. Damals hatte der Lehrer die Schulstube zu stellen. Erst 1832 beschlossen die Humliker den Bau eines Schulhauses, das wegen Holzfrass und Mauerschwamm schon nach 5 Jahren abgebrochen werden musste. Der darauffolgende Neubau wurde 1837 eingeweiht und diente als Schulhaus bis zur Errichtung des neuen Schulhauses im Gügi 1975 .
Das Kriegsjahr 1799, als die Franzosen die Schweiz besetzt hielten und auf dem Goldenberg ihre Kanonen gegen die bei Andelfingen angreifenden Österreicher aufgefahren hatten, ging nicht spurlos an Humlikon vorbei: Einmal hatten die 44 Haushaltungen während 8 Wochen 168 Pferde der Artillerie, einmal während 2 Tagen 600 Pferde samt Mannschaft zu beherbergen und zu verpflegen. Die Requisitionen und Plünderungen führten zu einer Hungersnot. Gräben im Wald hinter der Lingg zeugen von dieser Zeit der Wirren.
Lange Zeit gehörte Humlikon zur politischen Gemeinde Andelfingen, dann zu Adlikon. 1852 wurde im Dorf angeregt, sich als eigene politische Gemeinde selbständig zu machen. Erst 20 Jahre später kam es schliesslich durch eine Volksabstimmung dazu und am 6. Mai 1872 konnten die Humliker ihre ersten Gemeindebehörden wählen.
Wie entwickelte sich die Technik? Mit der Eröffnung der Bahnlinie Winterthur-Schaffhausen 1857 erhielt das Dorf Anschluss an die grosse Welt. 1904 bekam es seine erste öffentliche Telefonstation und seit 1911 brennt auf Strassen und in Häusern das elektrische Licht.
Quelle: Stauber Emil, Dr., "Geschichte der Kirchgemeinde Andelfingen"
Der 4. September 1963
Humlikon verliert einen Fünftel seiner Einwohner
Am 4. September 1963 stürzte bei Dürrenäsch AG eine Caravelle der Swissair ab. Die Ursache waren geplatzte Reifen und ein defektes Fahrwerk. Dieser Unfall war eine Katastrophe für Humlikon. Unter den 74 Passagieren befanden sich 43 Personen aus dem Weinländer Bauerndorf - 19 Ehepaare und 5 Einzelpersonen. Mit der Caravelle hätten sie nach Genf reisen wollen, um sich dort über Schädlingsbekämpfung informieren zu lassen. Auf einen Schlag waren 43 der 200 Einwohner und Einwohnerinnen nicht mehr im Dorf. 40 Kinder verloren ihre Eltern und unter den Opfern befanden sich sämtliche Mitglieder des Gemeinderats.
Humlikon oder Huemlike?
Die Herkunft der ortsüblichen Aussprache von «Humlikon» als «Huemlike» ist ein über die Jahre gereifter Dialekt. Man spricht da von Verschleifung, Verkürzung. Der ursprüngliche Ortsname lautete «Humilinghofen» und bedeutete etwa «bei den Höfen der Leute des Humilo». «-inghofen» schwächte sich im Laufe der Jahrhundertwend immer stärker ab: «-ikofe» > «ikon» > «ike». Der erste Namensbestandteil «Hum» kommt wohl von der Koseform «Humilo» eines germanischen Personennamens «Ummo, Hummo, Umilo» oder ähnlich. Schon die ersten Belege aus dem 13. Jahrhundert wechseln in der Schreibweise ab zwischen «Humlikon» und «Huomlikon». Der Diphtong «uo», der später zu «ue» wurde, gehörte also schon früh zum Namen. Das «uo» war früher in der deutschen Sprache allgemein gebräuchlich: Bruder hiess mittelhochdeutsch «bruoder», gut hiess «guot».
Das Schweizerdeutsche behielt diesen Umlaut bekanntlich bis heute bei (Brueder, guet), während das Neuhochdeutsche zum langen Vokal «u» wechselte – eben zu «Bruuder» und «guut».
So kam es, dass sich die Schreibweise des Ortsnamens an das Schriftdeutsche anpasste – also Humlikon –, während die Aussprache den alten Diphtong «ue» beibehielt – also Huemlike.
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Adlikon
Historische Entwicklung
Die Besiedlung des Gemeindegebiets in der Römerzeit ist durch Gutshöfe bei Niederwil und Dätwil belegt. Adlikon wurde 1255 als Adlinikon erstmals erwähnt. Seit dem Jahre 1818 ist Adlikon eine selbstständige Gemeinde. 1872 trennte sich Humlikon von Adlikon ab. Eine gewisse wirtschaftliche Entwicklung erfolgte ab 1958.
Bauliche Entwicklung
Besonders die Ortsteile Adlikon und Niederwil haben sich in ihrer Struktur und Form des Ortsbildes ausgedehnt. Der Kern ist noch klar erkennbar. Viele neue Bauten sind aber am Rande der Siedlung dazugekommen. Die lokalen Ortsnamen erschliessen die früh- und hochmittelalterlichen Siedlungsvorgänge: Östlich des Dorfes Adlikon befindet sich ein Gürtel mit "-wil"-Namen, die allgemein einer frühen Ausbauphase (8.-11. Jh.) zugerechnet werden. Im Spätmittelalter sind dann Wüstungsprozesse festzustellen. Aus diesen Siedlungsepochen ist wohl keine Bausubstanz mehr tradiert. In der Neuzeit ist dann von der Entwicklung einer Hofgruppensiedlung zu einem Weiler auszugehen, wobei die Bausubstanz primär ins 18. und 19. Jh. datiert. Evtl. sind im Innern der Bauten auch frühere Bauphasen (16. Jh. bis 17. Jh.) festzustellen.
Mit Blick auf die Kartenwerke und die Bautypen ist sodann festzuhalten, dass sich die Siedlung vorerst in der ersten Hälfte des 19. Jh. verdichtete und dass insb. in der zweiten Jahrhunderthälfte einige Bauten ersetzt, ergänzt oder rückgebaut worden sind. Gegen Ende des Jahrhunderts verschwanden wie im gesamten Weinland ein Grossteil des Reblandes um die Siedlung. Erst in der Nachkriegszeit ist eine weitere Siedlungsphase festzumachen - nun mit neu erstellten, zu den bestehenden Höfen gehörigen, grossen Ökonomiebauten. Das spätere 20. Jh. und frühe 21. Jh. wiederum ist von neuen Wohnbauten sowie Ersatzneubauten geprägt.
Die Siedlungsausdehnung hielt sich in den Grenzen der im 19. Jh. abgeschlossenen Siedlungsstruktur. In dieser Zeit wurden v.a. Wiesland und Krautgarten zwischen den Höfen, inbs. entlang der Hauptstrasse überbaut.