Schloss - Die Vertilgung des Regenwurms

Amsel mit Regenwurm
Dem Regenwurm geht's an den Kragen

An diesem Bild von der Amsel mit dem Regenwurm hätte der Verfasser der 1873 erschienenen «Encyklopädie der gesamten niederen und höheren Gartenkunst» seine helle Freude. Dieses 1027 seitige Nachschlagewerk stammt aus dem Besitz von Freiin Anna Maria von Sulzer-Wart, die von 1867 bis 1923 Besitzerin des Schlossguts Andelfingen war und in dieser Zeit den Schlosspark wesentlich prägte.

Vieles in diesem Fachbuch besitzt noch heute seine Gültigkeit, einige Ausführungen wirken aber aus heutiger Sicht recht skurril, wie z.B. Ausschnitte aus dem Kapitel über den Regenwurm:

«Der Gemeine Regenwurm kommt bei nasser Witterung Morgens und Abends heraus und lebt vorzüglich von Dammerde, greift aber auch junge, saftige Pflanzen an und zieht dieselben in die Erde hinein, um sie bequemer aussaugen zu können. Durch Düngung mit Ofenruss und Salpeter soll man ihn vertreiben können, doch ist das beste Mittel der Vertilgung die Auflesung der beim Graben des Landes aus der Erde geworfenen. Auch die mit dem Grabspaten abgestochenen Stücke sind aufzulesen, damit die in ihnen enthaltenen Eier (deren ein einziger Wurm gegen 64 Millionen bei sich haben soll) nicht auskommen. Dass aber diese Stücke zu neuen Individuen werden können, wie man fast allgemein annimmt, ist nach den genauen Untersuchungen des Verfassers nicht wahr.»

 

Heute weiss man, dass der Regenwurm nicht schädlich, sondern von grösstem Nutzen für einen guten fruchtbaren Boden ist. Zudem ist die Anzahl Eier (64 Millionen) eine masslose Übertreibung. Laut Internet paart sich der Gemeine Regenwurm in der Regel nur einmal pro Jahr und produziert dabei 5 bis 10 Kokons mit jeweils einem Ei.

Aus Sicht des Gärtners zeitigt hingegen die Amsel keinen grossen Nutzen, sie scharrt im Laub herum, frisst die nützlichen Würmer und hat es auf die Beeren abgesehen. Nur ihr schöner Gesang macht die Amsel zu dem, was sie ist, ein sehr nützlicher Vogel, nützlich für unser Gemüt.

Als 2018, im trockenen Sommer, praktisch keine Amseln im Schlosspark anzutreffen waren und im Herbst keine Trauben gefressen wurden, haben sie mir sehr gefehlt. Als sie 2019 wieder da waren, war meine Freude gross.

Informationen

Datum
27. Juli 2020
Herausgeber/-in
Christian Rüegsegger